Hurrikan – Hurricane – Huracán

8 Sep
Verlaufsvorhersage für Hurrikan Kenna

Verlaufsvorhersage für Hurrikan Kenna

Hurrikan Kenna am 24 Oktober

Hurrikan Kenna am 24 Oktober

Hurrikan Kenna am 25 Oktober

Hurrikan Kenna am 25 Oktober

Huracán hiess der Maya-Gott, dem man die Gewalt über Wind, Sturm und Feuer zuschrieb. Er wurde dargestellt mit einem normalen und einem Bein in Form einer Schlange und hatte eine lange Nase oder eine Art Schnauze und rauchte eine Zigarre (auch der Tabak ist eine mexikanische „Erfindung“).Das schlangenförmige Bein ist wohl damit zu erklären, dass Blitze als eine Art Himmelsschlangen begriffen wurden, die Feuer bringen konnten.  Die Mayakönige werden oft mit einer Art Szepter dargestellt in Form von dem Gott Huracán, der zu den drei Schöpfergottheiten gehört – allerdings hat er dann die Menschheit in der Grossen Flut (ja, auch hier auf dem Kontinent existierte die Legende der Sintflut längst vor der Ankunft der Spanier) vernichtet, weil sie die Götter gegen sich aufgebracht hatte. Aber dann erschuf er die Erde neu, indem er sie aus den Wassern zurückrief.

Dieser Gott hat den Wirbelstürmen den Namen gegeben, die normalerweise jährlich in der Zeit zwischen dem 1. Juni und dem 30. November den westlichen Atlantik und den östlichen Pazifik auf der Nordhalbkugel heimsuchen und zum Teil ganz gewaltige Schäden verursachen. Ihnen ist sicherlich noch Katrina in Erinnerung, die New Orleans unter Wasser setzte, vielleicht auch Mitch, der 1998 etwa 11 000 Menschenleben in Mittelamerika forderte, und Wilma, die drei Tage lang Cancun verwüstete.

Im Jahr 2002 setze der Monstersturm Kenna die Menschen hier in der Region in Angst und Schrecken, er war ein Hurrikan der Kategorie fünf und der zweitstärkste  seit der ersten Aufzeichnung 1851 beobachtete Wirbelsturm im östlichen Pazifik. Kenna traf ganz massiv das Fischerdorf San Blas, etwa 150 Kilometer nördlich von Puerto Vallarta, wir bekamen hier in Vallarta „nur“ den „Schwanz“ ab – mit dem Ergebnis, dass der Malecón (Strandpromende) total zerstört war, die extrem hohen Wellen sämtliche Läden dort (darunter Geschäfte mit Gold- und Silberschmuck)  weiterlesen ausgespült hatten, das eine oder andere Hotel bis in den zweiten oder gar dritten Stock überflutet war und einige Häuser direkt am Strand abbruchreif waren, insgesamt betrugen die Schäden etliche Millionen. San Blas war fast total zerstört, aber die Bevölkerung war rechtzeitig evakuiert worden.

Insgesamt entstehen sowohl im Atlantik als auch im Pazifik jährlich in der Hurrikansaison jeweils um die fünfzehn Stürme, von denen sich ein Drittel bis zur Hälfte  zu Hurrikans auswachsen (Voraussetzung für die Entstehung eines Hurrikans ist eine Wassertemperatur von mindestens 26,5º) – ganz oft betroffen ist vor allem Kuba, aber auch Cancun wird oft von Hurrikans heimgesucht. Hier am Pazifik treiben die Stürme von Mittelamerika kommend die Küste hoch, wobei sie meist Richtung Nordwest gehen und damit hinaus auf den offenen Ozean. Aber Kenna war sehr spät, nämlich Ende Oktober, und damals trieben Winde aus dem Westen den Wirbelsturm auf die Küste zu.

Um das Auge des Hurrikans herum entsteht ein riesiger Wirbel aus Wolken und damit Feuchtigkeit, die starke Regenfälle in weiten Gebieten verursacht.

Aber in diesem Jahr haben wir in vielen Teilen Mexikos Regenzeit ohne Regen, was fatale Folgen für die Landwirtschaft in weiten Teilen Mexikos hat, weil der Mais, die Bohnen und andere wichtige Feldfrüchte auf den Feldern verdorren und das Vieh keine Nahrung und kein Wasser mehr hat. Es ist die schlimmste Trockenheit seit siebzig Jahren!

Wie ist das zu erklären?

Letztes Jahr hatten wir viele Stürme, darunter einige Hurrikans, und dadurch viel Regen – typisch für ein El Niño-Jahr. Dieses Jahr gab es auch Stürme, aber sie näherten sich nicht den Küsten, die Stürme zogen hinaus auf den Pazifik – was wiederum typisch ist für ein La Niña-Jahr.

Bei einem Niño-Jahr  erwärmt sich in der Weihnachtszeit (also der warmen Zeit auf der Südhalbkugel) der Humboldtstrom im Südpazifik so stark, dass er zum Erliegen kommt, das Oberflächenwasser erwärmt sich und verdunstet, was zu Wolkenbildung und schliesslich Regen führt.

In einem Niña-Jahr ist der Humboldtstrom dagegen kälter als gewöhnlich, was wiederum Einfluss auf die Passatwinde hat, die die Luftfeuchtigkeit in den asiatischen Raum tragen, wo es dann zu extremen Regenfällen kommt – der dann hier an der mexikanischen Küste fehlt. Was nun wiederum diese Temperaturschwankungen des Humboldtstromes vor der Küste Perus bewirkt, das ist noch reichlich unklar.

Schaut man sich eine Weltwetterkarte an in einem Niño-Jahr, so sieht man in den Tropengebieten viele Wolkenfelder – aber dieses Jahr fehlen die Wolken. So hatten wir unsere Hoffnung auf den Hurrikan Jimena gesetzt, der Ende August an der Westküste Mexikos nordwestwärts zog. Er brachte Teilen des Hochlandes dann auch den ersehnten Regen, hier in unserer Region regnete es kaum, nur der Himmel war grau. Jimena traf dann auf den südlichen Teil der Halbinsel Baja California, wo es natürlich dann regnete, ebenso wie im Bundesstaat Sonora, das der Halbinsel vorgelagert ist, wo es zu schweren Überschwemmungen kam.

Regengott Tlaloc

Regengott Tlaloc

Hurrikans sind also Fluch und Segen zugleich – Fluch, weil sie schwere Schäden durch Überschwemmungen und Erdrutsche auslösen können und natürlich auch wegen der extrem starken Winde. Segen, weil ohne sie der so dringend notwendige Regen ausbleibt und die Ernte verdorrt. Früher hatte das Hungersnöte zur Folge. So hat also der Gott Huracán zugleich positive und negative Aspekte – wie alle anderen Götter auch. Dieses dualistische Denken durchzieht die gesamte Lebensauffassung der alten und der gegenwärtigen indianischen Völker und erklärt wohl z.T. auch die Gelassenheit, mit der viele Mexikaner negative Erfahrungen hinnehmen – es gibt eben nicht das absolut Gute, Wahre, Schöne, alles ist ein Hin- und Herschwingen zwischen besseren und schlechteren Zeiten.

Eigentlich ist der Monat September der Monat, in dem die meisten Hurrikans auftreten – also geben wir die Hoffnung auf Regen immer noch nicht auf! Aber für weite Teile Mexikos käme der Regen eh etwas zu spät, denn der Mais, das Grundnahrungsmittel,  ist vielerorts schon verdorrt. Punktuell gibt es schwere Regenfälle – so sind vor wenigen Tagen ganze Stadtteile der Hauptstadt regelrecht im Regen ertrunken, aber der grosse See, aus dem die Stadt einen Teil des Trinkwassers bekommt, bekam so gut wie keinen Regen ab. Seit dem 1. September muss man in Mexiko-Stadt nun hohe Strafen zahlen, wenn man leichtfertig mit dem kostbaren Nass umgeht – und etwa eine Million der Menschen dort ist ohne Leitungswasser und muss mit Wasser aus Tankwagen versorgt werden, das es dann natürlich nur eimerweise gibt.

Hier in der Region führen die Bäche und Flüsse immer noch Wasser – das ist nicht überall so. Und hier lassen sich auch leicht Brunnen bohren, um mit dem Grundwasser die Felder zu berieseln – das ist auch nicht überall so, denn Mexiko ist ein sehr gebirgiges und steiniges Land, und selbst wenn man Wasser findet, ist das nicht unbedingt zur Bewässerung der Felder geeignet, da es mineral- und damit z.T. salzhaltig ist. In manchen Landesteilen, wo es halbwegs wasserreiche Flüsse gibt, sind Stauseen errichtet worden, manche davon sehr gross. So hat man einen Wasservorrat und gewinnt gleichzeitig Energie – nur sind die meisten Stauseeen jetzt nur noch bei zwanzig/dreissig Prozent ihrer Kapazitäten, weil ja der Regen weitgehend ausblieb, durch den sie in den Sommermonaten aufgefüllt werden müssten!

Mit anderen Worten: Man ist auf das Nass des Regens dringend angewiesen – von daher verwundert es nicht, dass bei den Azteken der Regengott Tlaloc und bei den Mayas der Sturmgott Huracán eine grosse Verehrung genossen.